Hier mal eine weitere Diskussionshilfe aus anderen Gefilden:
Interview zur Ausgliederung der Profiabteilung
„Der VfB stößt an harte Grenzen“
Von Gunter Barner 24. Januar 2017 - 07:17 Uhr
Nach dem Abstieg – und vor dem Wiederaufstieg? Der VfB Stuttgart will seine Profiabteilung ausgliedern – am liebsten in eine Aktiengesellschaft. Daimler steht als strategischer Partner parat. Wirtschaftsexperte und Fußballkenner Roland Häussermann erläutert Chancen und Risiken.
Stuttgart - Die Meinung der Fans ist gespalten, die Haltung des Fachmanns eindeutig: „Ganz gleich ob zweite oder erste Liga, der VfB braucht eine zeitgemäße Finanzstruktur“, sagt Roland Häussermann. Die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft hält er für einen logischen Schritt.
Herr Häussermann, der VfB will seine Profiabteilung aus dem Verein ausgliedern. Ist das sinnvoll? Auch nach dem Abstieg?
Die Bedeutung der Ausgliederung für den Verein, die Mitglieder und den Vorstand ist trotz des Abstiegs unverändert hoch. Und sie ist unabhängig von der Frage zu sehen, ob und wann ein möglicher Mitgesellschafter aufgenommen wird. Der VfB Stuttgart ist gemeinnützig. Und er ist mit seiner Profiabteilung gewerblich tätig. Als eingetragener Verein stößt er dabei allerdings an Grenzen, mit denen er umgehen muss.
Der gute alte Verein taugt nicht mehr für die Erfordernisse des Profigeschäfts?
Schauen Sie sich die deutsche Vereinshistorie an. Der sogenannte Idealverein war ja nie als Basis für eine umfangreiche wirtschaftliche Tätigkeit gedacht, sondern von der Idee her immer gemeinnützig. Ein Verein darf auch heute noch nicht wirtschaftlich werbend in Erscheinung treten. Deshalb gibt es beim VfB ja die Tochtergesellschaften, zum Beispiel die Marketing-GmbH. Daher muss man sich als Mitglied oder Verantwortlicher schon die Frage stellen: Ist das Konstrukt noch zukunftsfähig? Passt das noch in fünf oder zehn Jahren?
Beim VfB ist der Ausweg aus dem Dilemma eine Aktiengesellschaft. Ein guter Gedanke?
Die Satzung des Deutschen Fußball-Bunds lässt drei Möglichkeiten zu: die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Die AG erscheint mir als die sinnvollste Option.
Weshalb?
Weil die Profiabteilung im Rahmen der AG angesiedelt werden kann und der Verein immer der Mehrheitsaktionär ist, bei Gründung sogar der Alleineigentümer. Die Statuten des Deutschen Fußball-Bunds schreiben außerdem die Fünfzig-plus-eins-Regel vor, das heißt, der Verein muss mindestens die Hälfte plus einen Anteil halten, er hat also immer die Mehrheit. Für die AG gelten klare gesetzliche Regeln. Eine solide finanzierte AG kann auch mal einen Verlust aus dem Profigeschäft verkraften, ein gemeinnütziger Verein eher nicht.
Was bedeutet das für finanziell schwierige Zeiten im Verein?
Es gibt Vereine, die wurden voll an die Wand gefahren. Für die Vereinsmitglieder ist das ein Fiasko, aber auch für die Vereinsführung, die nach bestem Wissen und Gewissen handelt. Im Zweifel haften die Verantwortlichen mit ihrem Privatvermögen.
Was ist bei der AG anders?
Im Verein sind die Geschäfte lediglich ein Nebenzweck, die bis zu einem gewissen Umfang erlaubt sind. In der AG dagegen ist der wirtschaftliche Betrieb der Hauptzweck. Sie passt damit viel besser zum Profibetrieb als ein Verein.
Der VfB ist nur noch Zweitligist, am Ende der Saison bestenfalls ein Aufsteiger. Kein idealer Zeitpunkt, um Anteile zu verkaufen.
Die Beteiligung eines Investors kann einer Ausgliederung nachfolgen, ist aber nicht zwangsläufig. Hier sind die Auswahl des Investors, die Höhe seines finanziellen Beitrags auf Grundlage einer Bewertung des Profigeschäfts und ganz einfach der richtige Zeitpunkt entscheidend. Natürlich spielt bei einer Bewertung der finanzielle Aspekt eines schnellen Wiederaufstiegs eine Rolle. In der ersten Liga sind beispielsweise die Einnahmen aus der Fernsehvermarktung deutlich höher, was sich auf die Bewertung positiv auswirkt. Wenn ein Mitgesellschafter für die AG gefunden ist, trifft der Verein die Entscheidung über dessen Beteiligung an der VfB-AG.
Also erst mal die AG gründen, dann überlegen, wann man am besten einen Investor mit ins Boot holt?
Ja, die Gründung der AG ist bereits ein wichtiger Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des VfB. Dieser Schritt ist unabhängig von der Beteiligung eines Investors wichtig für den Verein. Natürlich muss man sich dann auch über das richtige Zeitfenster für die Beteiligung eines Investors unterhalten. Noch wichtiger ist aber die Frage, woran ich Investoren beteilige. Gibt man seine Kronjuwelen her? Was ist der Preis dafür, dass Geld in die Kasse kommt? Und wie langfristig ist das Geld verfügbar?
Die Bundesliga ist sehr kreativ auf der Suche nach Einnahmemöglichkeiten.
Es gibt da in der Tat einen Strauß von Möglichkeiten. Man kann Teile seiner Vermarktungs- oder Fernsehrechte verkaufen, künftige Zuschauereinnahmen beleihen oder gar sein Logo zu Geld machen. Oder man holt sich Partner ins Boot, die Anteile der Aktiengesellschaft übernehmen. Allen Maßnahmen gemeinsam ist die anfängliche Freude, dass Geld in die Kasse kommt. Aber der Preis ist ganz unterschiedlich.
Was ist in Ihren Augen der Königsweg?
Es gibt nicht den einen und einzigen Weg.
Der FC Bayern zeigt, wie es geht.
Das war aber auch nicht gottgegeben. Auch der FC Bayern hatte in der Vergangenheit seine Tiefs.
Aber die Schwankungen fallen nicht so heftig aus wie anderswo.
Wenn sich ein Verein finanziellen Handlungsspielraum verschafft, kann er wichtige Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt treffen. Wenn der Finanzrahmen passt und entscheidungsfähige Strukturen da sind, können die Verantwortlichen passgenauer agieren. Mit dem Rücken zur Wand ist das sehr viel schwieriger.
Geld schießt also doch Tore?
Es führt nicht zwangsläufig zum sportlichen Erfolg, erhöht aber die Möglichkeiten und Chancen.
Ein Sportverein als Aktiengesellschaft: Das ist manchem Fan unheimlich.
Das kann ich emotional nachvollziehen. Sachlich ist der Vorschlag der AG dennoch eine gute Wahl. Die AG wird den Erfordernissen des ständig wachsenden Profigeschäfts gerecht, gleichzeitig wahren Verein und Mitglieder langfristig ihre Interessen. Man kann in die Satzung einer AG reinschreiben, dass bestimmte Dinge nur von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden dürfen. Und in der hat der Verein immer die Mehrheit. Da kommt dann der Vorstand der AG nicht drum rum und auch nicht ihr Aufsichtsrat.
Der VfB Stuttgart will 24,9 Prozent der AG-Anteile an strategische Partner ausgeben, 75,1 Prozent im Verein behalten. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Für mich ist das absolut nachvollziehbar. Das Zusammenspiel der Gesellschafter ist in der Satzung unumstößlich festgelegt. Was darf ein Minderheitsgesellschafter, was ist das Mehrheitsvotum? Mit 75,1 Prozent kann der Verein nahezu alle wichtigen Entscheidungen allein treffen.
Es gibt Clubs wie etwa Schalke 04, die sich mit Anleihen Geld vom Finanzmarkt besorgen. Welchen Vorteil bietet das Investorenmodell einer AG?
Man unterscheidet zwischen Fremdkapital-Investment und Eigenkapital-Investment. Für Fremdkapital muss der Verein eine laufende Vergütung bezahlen, und je höher das Risiko des Investments, desto höher der Zins. Der Geldgeber ist vorrangig an einer finanziellen Rendite interessiert. Am Ende der Laufzeit muss der Verein das Geld zurückzahlen, sonst ist er insolvent. Die Gefahr dabei ist: Wenn es sportlich und wirtschaftlich nicht so gut läuft, neigt der Club natürlich dazu, für die Anschlussfinanzierung eine neue Anleihe auszugeben – zu dann schlechteren Konditionen. Das birgt das Risiko einer gefährlichen finanziellen Abwärtsspirale.
Und worin liegt die Chance?
Dass sich der Verein in der Zwischenzeit gut entwickelt und damit Werte geschaffen werden. Zum Beispiel dann, wenn man ein paar Mal den Einzug in die Champions League erreicht hat und sich die Einnahmeseite dadurch deutlich verbessert.
Wem steht der gestiegene Wert dann eigentlich zu?
Dem, der die Anteile hält, dem Verein. Er kann den Fremdkapital-Geber nach Ablauf der Anleihe auszahlen und hat alle Sorgen los. Das ist eine super Sache, wenn es sportlich gut läuft. Wenn nicht, kann es sehr teuer werden.
Worin liegt der Reiz bei einem Eigenkapital-Investment nach Art des FC Bayern?
Der große Unterschied liegt darin, dass sich der Geldgeber langfristig bindet. Da ist ein vitales Interesse vorhanden, mit der Aktiengesellschaft, dem Verein und seinem Image in Verbindung gebracht zu werden. Eigenkapital ist gesetzlich nicht rückzahlbar. Das ist ein bisschen wie verheiratet zu sein. Die AG muss für dieses Geld auch keinen Zins zahlen. Sie kann eine Dividende auszahlen. Ob das geschieht, beschließt die Gesellschafterversammlung . . .
. . . in welcher der Verein die Mehrheit hat.
Genau. In der Regel wird man einen Überschuss in der AG belassen und reinvestieren.
Welchen konkreten Nutzen hat die Daimler AG von einem Investment beim VfB? Im Gespräch sind bis zu 40 Millionen Euro.
Daimler wird als Gesellschafter der AG interessiert sein, dass es der VfB-AG gut geht. Dann steigt ja auch der Wert der Aktien und Daimler hätte zusätzlich eine emotionale Rendite. Verein und Daimler haben hier das gleiche Interesse. Wird das Investment klug eingesetzt, erhöht es den finanziellen Handlungsspielraum der AG erheblich.
Und man hält eventuellen Konkurrenten die Tür zu?
Ganz klar. Das ist auch eine strategische Positionierung des Unternehmens.
Und wenn Daimler eines Tages seine Anteile versilbern will?
In der Satzung einer AG lässt sich glasklar regeln, dass die Anteile nicht ohne die Einbindung des Vereins weitergegeben werden können. Damit nicht plötzlich der Scheich im Verein sitzt oder ein anderer unerwünschter Investor.
So einleuchtend das alles klingt, Teile des Vereins bleiben skeptisch.
Was den fachlich-technischen Teil einer Ausgliederung anlangt, ist diese Skepsis unbegründet. Die AG bedeutet nicht, dass der Verein entmachtet ist. Im Gegenteil, die Einflussmöglichkeiten der Vereinsmitglieder sind gegeben. Beim VfB wird ja darum gerungen, wie man was regelt. Das ist genau der richtige Weg.
Für die Ausgliederung braucht es laut Satzung eine Dreiviertelmehrheit der VfB-Mitgliederversammlung. Niemand weiß, ob sie zustande kommt.
Vereinsführung und Mitglieder sollten die volle Bandbreite der Mitwirkungsmöglichkeiten in einer künftigen AG ausloten und die passende Balance finden. Komplett verhindern sollten die Mitglieder die Ausgliederung nicht.
Warum nicht?
Weil der Verein an harte Grenzen stößt – früher oder später. Die Vereinsführung, ganz gleich mit welchen Personen sie besetzt ist, braucht den Rückhalt der Mitglieder. Aus Prinzip misstrauisch zu sein, diese Haltung zu kultivieren, hilft nicht weiter. Eine gewisse Vertrauensbasis muss da sein. Und die schafft man am leichtesten, indem man die Zukunft des Vereins gemeinsam entwickelt und gestaltet. Die Aktiengesellschaft bietet diese Möglichkeiten für die Profiabteilung. Sie bringt Geld, das der Verein in seine Zukunft investieren kann, ohne dass er seinen bestimmenden Einfluss verliert. Die strategische Partnerschaft mit einem Unternehmen wie Daimler ist auf diesem Weg ein wichtiges Signal.
Quelle:
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/in...e2e9b.html