Die Polizei steht mit auf dem Rasen
Von Von Jens Jahn und Jürgen Schwarz
Ungeschlagen hat Dynamo Dresden die Hinrunde überstanden? Die dritte Mannschaft wohlgemerkt. In der Fußball-Bezirksliga sind die Schwarz-Gelben derzeit das Maß aller Dinge. Fünf Jahre nach dem Aufstieg will sich die Mannschaft des Trainerduos Jens Hieckmann und Jens Vick den Titel nicht mehr nehmen lassen. Verfolger Heidenauer SV hat bereits sechs Punkte Rückstand und eine Wiederaufnahme des Sportgerichtsverfahrens wg. des Einsatz nicht spielberechtigter Spieler durch das Verbandsgericht, in dem für den Ligakontrahenten weiterer Punktabzug droht, steht noch aus.
Ins Leben gerufen wurde die „Dritte“ 1998 unter Führung des damaligen Dynamo-Fanprojektleiters Andreas Weniger. Geboren aus der Suche nach Möglichkeiten, um die sogenannten Problem-Fans besser in den Griff zu bekommen. Weniger setzte sich mit der Vereinsführung zusammen, wenig später stand das Team, bestehend aus Spielern, Betreuern und Helfern aus dem Kreis dieser Fangruppen. Das Training übernahm der zu diesem Zeitpunkt amtierende Sicherheitschef des Harbig-Stadions, Olaf Müller.
Der Verein stellte Trainings- und Wettkampfstätten zur Verfügung, vieles musste aber durch Eigeninitiative auf die Beine gestellt werden. Fans, die zuvor mehr mit Negativschlagzeilen von sich reden machten, waren jetzt aktiv am Vereinsleben beteiligt: als Spieler, im Ordnungsdienst, als Imbissverkäufer oder Ballholer an der Seitenlinie. „Dieses soziale Versuchsprojekt“, sagt André Gasch, „hat viel Positives erbracht. Die Fans wurden integriert, viele haben sich richtig gut entwickelt. Natürlich gelang das nicht bei jedem hundertprozentig“. Gasch, der bis zu den A-Junioren beim Dresdner SC, bzw. dessen Vorgänger, dem FSV Lok spielte, stammt selbst aus Dynamos aktiver Fanszene. 2001 übernahm er den Mannschaftsleiterposten bei der „Dritten“. Heuer organisiert er die Fahrten zu den Punktspielen, Trainingswochen, Abschlussfeiern, kümmert sich um Sponsoren, Spieler und vieles mehr. Sollten doch einmal ein paar Zuschauer über die Stränge schlagen, so können die Spieler Denis Töwe, Christopher Nerger und Manuel Heinze sofort eingreifen, denn mit diesem Trio stehen drei Polizeiangehörige mit der Mannschaft auf dem Rasen.
Vor neun Jahren spielte Dynamo III noch in der 1. Stadtklasse. Gleich im ersten Spieljahr war der Aufstieg aus der 2. Stadtklasse gelungen. Der frühere Torwart der FSV Lok Dresden, Jens Hieckmann, hatte inzwischen das Traineramt übernommen. Der gelernte Freileitungsmonteur führte die „Dritte“ 2002 in die Stadtliga. Namen wie Heiko Bandulewitz, Jan Dietze, Robert Karsten, Manuel Heinze und Ronny Ritter tauchten in der Torschützenliste auf. Spieler, die bis heute zu den Stammkräften der Gelb-Schwarzen gehören. Diese Kontinuität bewundert auch der ehemalige Dresdner DDR-Auswahlspieler Matthias Müller, der den Liga-Kontrahenten Bischofswerdaer FV betreut: „Diese Mannschaft ist gereift, spielt seit Jahren mit der gleichen Grundformation. In der heutigen Zeit ist das selten, aber es zahlt sich auf Dauer eben aus.“
In der Stadtliga hielten sich die Hieckmann-Kicker nur eine Saison auf, in der Bezirksklasse waren es zwei Spieljahre. „Es ist schon toll, was sich hier entwickelt hat“, zieht Hieckmann den Hut. „Dabei wird das alles nur durch wenig Sponsorengelder und kleine Spenden der Fans finanziert“, so Hieckmann. „Und“, betont er, „die Spieler bekommen kein Geld bei uns“. André Gasch nickt zustimmend und ergänzt: „Es ist Wahnsinn und ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal dieser Mannschaft, wenn du bei Heimspielen durch die Reihen gehst und die Fans stecken dir ein paar Geldscheine zu. Sie fühlen sich hier bei Fischbrötchen, Bockwurst und Bier und durchaus attraktivem Fußball eben wohl.“
Der bisher größte Erfolg gelang der „Dritten“ am 21. Juni 2008 mit dem Gewinn des Bezirkspokals. Gegen den Hoyerswerdaer SV wurde mit 3:2 nach Verlängerung gewonnen. Der nächste Erfolg steht nun in der Warteschleife. „Natürlich wollen wir in die Landesliga“, so Hieckmann zu immer wieder aufkommenden Gerüchten, seine Mannschaft wolle das Aufstiegsrecht nicht wahrnehmen. „Zumal wir auch das Versprechen der Vereinsführung haben, dass sie uns ab dieser Spielklasse finanziell bei den dann längeren Fahrten und in der Infrastruktur unterstützen will.“ Neue Trainingsbekleidung wurde bereits vom Förderverein „Zukunft Dynamo“ spendiert.
Das Verhältnis zu den höherklassigen Teams im Verein hat sich von Jahr zu Jahr verbessert. Jens Vick, der als gleichberechtigter Übungsleiter neben Hieckmann auf der Bank sitzt, spricht von „guter Zusammenarbeit mit Matthias Maucksch und Jan Seifert“, den Cheftrainern der Drittliga- bzw. Oberliga-Mannschaft. „Einige unserer Spieler, wie Thomas Weiss oder Willi Richter, kamen schon in der Oberliga zum Einsatz“, sagt Vick, der einst in Löbtau spielte und später Trainerstationen in Gittersee und Freital durchlief.
Wenn es die Zeit erlaubt, kommt auch Benny Kirsten und betätigt sich als Torwarttrainer bei der „Dritten“. Seit der laufenden Saison gibt es mit Alexa Focke zudem eine Physiotherapeutin, während aus dem großen Fankreis Jan Massarczyk zum Mannschaftsleiter gewählt wurde. Und vor der ersten Landesliga-Saison gäbe es sicher ein Trainingslager. Die Einladung an die Sportschule von Toni Jelen in Polen steht bereits. Aber bis dahin stehen noch 15 Rückrundenpartien an. „Wir sind jetzt die Gejagten“, weiß nicht nur Hieckmann, der mit einer anspruchsvollen Vorbereitung den Spannungsbogen der Spieler pünktlich zum Rückrundenstart gegen den TSV Stahl Riesa im optimalen Bereich wissen will, um das Ziel Aufstieg zu erreichen.
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