ANTISEMITISMUS IM FUSSBALL
"Juden Jena!"-Schmähgesänge - Anzeige gegen Oberligaclub Halle
Von Christoph Ruf
Antisemitismus-Skandal in Ostdeutschland: Fans des Halleschen FC haben am Wochenende wiederholt "Juden Jena" gegrölt - SPIEGEL ONLINE liegt eine Aufnahme vor, die das belegen soll. Weder Schiedsrichter noch Offizielle wollen etwas gehört haben. Dem Verein drohen harte Strafen.
Halle - Zweite Halbzeit im Oberligaduell zwischen dem Halleschen FC und der Zweiten Mannschaft von Carl Zeiss Jena. Schiedsrichter André Stolzenburg pfeift einen Eckball für die Gäste. Als der Jenaer Spieler sich der Hallenser Kurve nähert, ertönen die Rufe zum ersten Mal, erinnert sich ein Augenzeuge: "Juden Jena!"
Der Zeuge, der das Spiel in der HFC-Kurve verfolgte, erinnert sich, dass "der Linienrichter zu diesem Zeitpunkt genau vor der Kurve stand. Er kann das nicht überhört haben." Doch im Spielberichtsbogen sind die antisemitischen Rufe, die danach noch mehrfach zu hören waren, nicht vermerkt. "Mehrmals während des Spiels wurde 'Juden Jena' in unsere Richtung gebrüllt", sagt auch Lutz Hofmann vom Jenaer Fanprojekt, der sich in etwa 100 Meter Luftlinie Entfernung in der Gästekurve aufhielt.
Auf Tonaufnahmen, die SPIEGEL ONLINE vorliegen und den Zeugen zufolge die Geschehnisse am Wochenende dokumentieren, sind Parolen so laut zu hören, dass der Stadionsprecher sie eigentlich unmöglich überhört haben kann. Dennoch wurden die Schreihälse aus der Hallenser Kurve zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, die Schmähgesänge einzustellen:
Auch im Internetforum des HFC-Fanclubs "Web-Hallunken" wird angeregt über die Rufer diskutiert. Mehrere Nutzer äußern ihr Unverständnis über "diese dämlichen J.... J... Rufe andauernd. Was soll denn der *****?"
Wenn sich die Vorwürfe erhärten lassen, wäre erneut Halle Schauplatz solcher Entgleisungen - und weil es ein Wiederholungsfall ist, steht der Verein nun vor drastischen Sanktionen.
Die Hallenser waren schon nach rassistischen Ausschreitungen (mehr...) und Affen-Lauten beim Rückspiel gegen Sachsen Leipzig im Oktober 2006 zu einer Geldstrafe und einem Spiel vor leeren Rängen verurteilt worden. Im Fall einer erneuten Bestrafung müssten sie wohl mit deutlich härteren Sanktionen rechnen, vom Punktabzug bis hin zum "Ausschluss aus der Spielklasse", sagt Holger Fuchs, Geschäftsführer des Nordostdeutschen Fußball-Verbands (NOFV), zu SPIEGEL ONLINE.
Beim NOFV ist mittlerweile eine Anzeige eingegangen. Dort will man nach Rücksprache mit dem HFC die Ereignisse vom Wochenende rekonstruieren. Nach Auskunft von Wilfried Riemer, dem Leiter des Spielbetriebs beim NOFV, haben "die beiden Schiedsrichterbeobachter nichts gehört, auch im Spielberichtsbogen ist nichts vermerkt". Die HFC-Verantwortlichen seien "aus allen Wolken" gefallen, als sie von den Vorwürfen hörten.
Michael Schädlich, Präsident des HFC, kündigte für den Fall, dass sich die Krakeeler ermitteln lassen, in der "Mitteldeutschen Zeitung" harte Strafen an: "Ich verurteile diese Ausfälle aufs Schärfste, gegen diese Unbelehrbaren reagieren wir mit dem kompletten Programm rechtsstaatlicher Maßnahmen."
Der NOFV weist darauf hin, bisher lägen keine endgültigen Beweise für die Schmähungen vor - zumal die HFC-Verantwortlichen die Vorwürfe auf Nachfrage des Verbandes nicht bestätigen konnten: "Die haben auch nichts gehört." Die Glaubwürdigkeit einer E-Mail, die die Geschehnisse in der Kurve dokumentiert habe und dem Verband am Dienstag zuging, werde derzeit geprüft.
Nach dem Spiel wurden die etwa 70 Gästefans inmitten einer Polizeieskorte zum Bahnhof geleitet. Auch dabei kam es nach Aussagen der Jenaer zu antisemitischen Schmähungen.
Doch auch die Ordnungskräfte sahen offenbar keinen Grund einzuschreiten. Wie viele Jena-Fans - die Anhänger des Traditionsvereines gelten politisch eher als linksgerichtet - hat sich Fanbetreuer Hofmann mittlerweile ein dickes Fell zugelegt, wenn er sein Team zu Auswärtsspielen begleitet. "Im Westen rufen sie: 'Baut die Mauer auf', im Osten: 'Juden Jena'. Lauter alte dumme Sprüche, die man schon langsam überhört."
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