Sozialarbeiterin will Dialog zwischen Fans und Polizei fördern
09/02/2012 - Erfurt : Sozialpädagogin Nadin Schmidt (31) ist seit Oktober 2011 Betreuerin im
Erfurter RWE-Fanprojekt TA-Foto: Marco Schmidt
Die Sozialpädagogin Nadin Schmidt ist seit Oktober 2011 Betreuerin und Ansprechpartnerin im Erfurter Fanprojekt. Dabei ist ihr die Vermittlung zwischen RWE-Fans und Polizei ebenso wichtig wie das gemeinsame Umsetzen neuer Ideen.
Erfurt. Das Erfurter Fanprojekt, 2010 nach langem Gerangel auf die Beine gestellt, ist mit zwei Planstellen ausgestattet. Doch nicht immer waren beide auch besetzt. Sven Söderberg und Nico Besecke machten den Anfang. Söderberg sprang aus beruflichen Gründen bald wieder ab. Nico Besecke musste die Fanarbeit teilweise allein schultern. Doch im Oktober 2011 bekam er Verstärkung. Mit langen schwarzen Haaren und blauen Augen. Nadin Schmidt. 31, verheiratet, keine Kinder, geborene Erfurterin. Thomas Trier, Chef des Perspektivvereins als Träger des Fanprojekts, ist nach den ersten vier Monaten, in denen Nadin für das Fanprojekt arbeitet, bereits des Lobes voll.
Nadin Schmidt hat die Gabe, zuhören zu können. Zugleich wirkt sie auf ihre Gegenüber resolut und bodenständig. Sie ist studierte Sozialpädagogin, hat in Gera und München die Fähigkeit erlernt, mit Menschen umzugehen. Nach dem Studium ging sie in den Münchner Vorort Fürstenfeldbruck. Frauenberatung. Das war 2005.
Nach zwei Jahren zog es sie nach Köln. "Der Liebe wegen", sagt sie mit einem Lächeln. Ihr Job im Jugendamt: Problemfälle im Kinder- und Jugendbereich. Gut dreieinhalb Jahre hat sie am Rhein ihre Energie in den Dienst der Sozialarbeit gestellt. Dann war wieder Liebe die treibende Kraft. Zurück in die Heimat, zurück nach Erfurt.
Kollegin brachte Stellenausschreibung mit
Noch während ihrer Kölner Zeit hatte ihr eine Kollegin die Stellenausschreibung des Fanprojektes mitgebracht. "Das hat mich sofort gereizt, weil ich gedacht habe, da kannst du dein Hobby Fußball und den Beruf verbinden", erinnert sich die Heimkehrerin. Denn sie ist der Faszination bei der Jagd nach dem runden Leder mindestens ebenso erlegen wie viele Männer. Nadin Schmidt hat viele Jahre selber gespielt. Als Torhüterin in Gräfenwarth, Landesklasse Ost. Und sie hat acht Jahre als Schiedsrichterin in der Männer-Bezirksliga vorzuweisen. Sie weiß daher nur zu genau, wie man das vermeintlich starke Geschlecht bändigt.
"Heute habe ich mein Hobby aufgegeben und nur noch einen Beruf", sagt sie zu ihrer Stelle als Fanbetreuer. Denn Zeit, sich auf das Spielgeschehen auf dem Rasen zu konzentrieren, bleibt kaum. Nadin ist voll und ganz auf die Fans, ihre Fans, konzentriert. Meist steht sie im Stadion mit dem Rücken zum Rasen.
Ihre erste Begegnung mit den RWE-Fans wurde gleich zur Feuertaufe. Es war das Thüringenderby im Juli 2011 in Erfurt. Rot-Weiße hatte Jena mit einem 3:0 an die Saale zurückgeschickt. Schmidt sah sich alles aus der Distanz an. Sie habe nur gedacht: Das wird eine echte Herausforderung!
Später wurde sie von Nico Besecke, der bis Dezember 2011 als Betreuer arbeitete, den Anhängern bei einem gemeinsamen Frühstück in den Räumen des Fanprojektes vorgestellt. Anfeindungen oder Vorbehalte? "Bis heute nicht", sagt die junge Frau. Es sei ein positiver Beginn gewesen, und an dem guten Verhältnis habe sich bis heute nichts geändert.
"Sie haben es mir leicht gemacht einzusteigen und Vertrauen zu schaffen", lobt sie.
"Die meisten sind echte Fans, keine Extremisten."
Dabei gebe es natürlich Meinungsverschiedenheiten, aber eben ohne verbale Aggression. "Das sind keine Extremisten, die ihren Frust auf dem Fußballplatz ausleben wollen, sondern echte Fans, die in echter Treue zu ihrem Verein stehen, aber manchmal über das Ziel hinausschießen", verteidigt sie ihre Schützlinge.
Nadins Hauptansprechpartner sind die Ultras. "Die sind im Projekt inzwischen zu Hause", sagt sie. Das Zuhause ist das Projekt in der Nähe des Talknotens, am Nordende der Johannesstraße. Dort hat man Zeit und Muße und Platz. Ist unter sich. Um zu reden, Probleme zu wälzen, Freud und Leid nach Sieg oder Niederlage zu teilen, zu diskutieren, zu schimpfen, zu jubeln, sein Team zu kritisieren oder es zu loben.
Ein Ort auch für intensive Gespräche. Nicht nur über den Fußball. Nadin hat ein offenes Ohr für alle Probleme, mit denen die Fans zu ihr kommen. Ob sie eine Lösung parat hat oder nicht, ist zweitrangig. "Mir geht es darum, Alternativen aufzuzeigen, denn es gibt immer einen Ausweg", sagt sie.
Geredet wird sowohl im Fanprojekt als auch auf den langen Fahrten zu Auswärtsspielen der Rot-Weißen. Da gelingt es auch schon, den einen oder anderen im Zaum zu halten, damit er in aufgeheizter Situation nicht die Beherrschung verliert. Aber kein Fanprojekt in Deutschland könne eine Garantie geben, dass doch nicht irgendwer austickt, randaliert. Das ist auch nicht seine Aufgabe.
Erhobener bei "Krach im Block" sinnlos
"Wenns im Block kracht, ist es ohnehin sinnlos, mit erhobenem Zeigefinger den Helden zu spielen", sagt die Projektbetreuerin. Daher habe man auch beim Derby-Rückspiel in Jena, kurz vor Weihnachten, keine Möglichkeit gehabt, in die Randale einzugreifen. "Wir müssen aufpassen, nicht zwischen den Fronten zerrieben zu werden", sagt sie. Nach Zwischenfällen wie diesen alles auswerten und Kritik üben, hält sie hingegen für unverzichtbar.
Unverzichtbar ist für Nadin Schmidt auch der Kontakt zur Polizei. Das Vermitteln zwischen Fans und Ordnungshütern funktioniere nur auf einer guten Arbeitsbasis mit beiden Seiten, ist Nadin Schmidt überzeugt.
Inzwischen verbringt sie mehr Zeit im Fanprojekt als daheim, um die Aufbauphase voranzutreiben. Mit Ideen und unkonventionellen Vorschlägen versucht sie, den Fans etwas zu bieten, sie zum Mitmachen zu animieren. Kochen und Backen in der Weihnachtszeit, z.B. Pizza oder Plätzchen mit RWE-Logo.
RWE-Fans erleben Erfurt
Oder gemeinsames Eislaufen, Vorträge zum Stadionumbau, Austausch mit anderen Fanszenen. Ihre neueste Idee: "Das Fanprojekt zeigt Dir Deine Stadt". Es soll, so sagt sie, etwas sein, was mit den Fans gemeinsam organisiert wird - Dombesichtigung, Stadtrundgang, Rathaus-Führung, Besuch in der Topf&Söhne-Gedenkstätte.
Das, so ist sie sicher, kann genauso funktionieren, wie unter-18-jährige Fans bei Auswärtsspielen zu begleiten. Als nikotin- und alkoholfreie Tour mit Bildungs- und Kulturteil. "Ich will das zarte Pflänzchen Fanprojekt mit Veranstaltungen düngen, damit es wächst."
Für Nadin Schmidt ist es dabei besonders wichtig, zu fragen, was die Fans selber wollen. Ihnen nur etwas überzustülpen, das funktioniere nicht. Die Fans hätten selber genug kreatives Potenzial, das es zu nutzen gelte. Sie setzt auf Geben und Nehmen. "Damit Fußball ein Sport bleibt, der einfach Spaß macht."
Michael Keller / 11.02.12 / TA
09/02/2012 - Erfurt : Sozialpädagogin Nadin Schmidt (31) ist seit Oktober 2011 Betreuerin im
Erfurter RWE-Fanprojekt TA-Foto: Marco Schmidt
Die Sozialpädagogin Nadin Schmidt ist seit Oktober 2011 Betreuerin und Ansprechpartnerin im Erfurter Fanprojekt. Dabei ist ihr die Vermittlung zwischen RWE-Fans und Polizei ebenso wichtig wie das gemeinsame Umsetzen neuer Ideen.
Erfurt. Das Erfurter Fanprojekt, 2010 nach langem Gerangel auf die Beine gestellt, ist mit zwei Planstellen ausgestattet. Doch nicht immer waren beide auch besetzt. Sven Söderberg und Nico Besecke machten den Anfang. Söderberg sprang aus beruflichen Gründen bald wieder ab. Nico Besecke musste die Fanarbeit teilweise allein schultern. Doch im Oktober 2011 bekam er Verstärkung. Mit langen schwarzen Haaren und blauen Augen. Nadin Schmidt. 31, verheiratet, keine Kinder, geborene Erfurterin. Thomas Trier, Chef des Perspektivvereins als Träger des Fanprojekts, ist nach den ersten vier Monaten, in denen Nadin für das Fanprojekt arbeitet, bereits des Lobes voll.
Nadin Schmidt hat die Gabe, zuhören zu können. Zugleich wirkt sie auf ihre Gegenüber resolut und bodenständig. Sie ist studierte Sozialpädagogin, hat in Gera und München die Fähigkeit erlernt, mit Menschen umzugehen. Nach dem Studium ging sie in den Münchner Vorort Fürstenfeldbruck. Frauenberatung. Das war 2005.
Nach zwei Jahren zog es sie nach Köln. "Der Liebe wegen", sagt sie mit einem Lächeln. Ihr Job im Jugendamt: Problemfälle im Kinder- und Jugendbereich. Gut dreieinhalb Jahre hat sie am Rhein ihre Energie in den Dienst der Sozialarbeit gestellt. Dann war wieder Liebe die treibende Kraft. Zurück in die Heimat, zurück nach Erfurt.
Kollegin brachte Stellenausschreibung mit
Noch während ihrer Kölner Zeit hatte ihr eine Kollegin die Stellenausschreibung des Fanprojektes mitgebracht. "Das hat mich sofort gereizt, weil ich gedacht habe, da kannst du dein Hobby Fußball und den Beruf verbinden", erinnert sich die Heimkehrerin. Denn sie ist der Faszination bei der Jagd nach dem runden Leder mindestens ebenso erlegen wie viele Männer. Nadin Schmidt hat viele Jahre selber gespielt. Als Torhüterin in Gräfenwarth, Landesklasse Ost. Und sie hat acht Jahre als Schiedsrichterin in der Männer-Bezirksliga vorzuweisen. Sie weiß daher nur zu genau, wie man das vermeintlich starke Geschlecht bändigt.
"Heute habe ich mein Hobby aufgegeben und nur noch einen Beruf", sagt sie zu ihrer Stelle als Fanbetreuer. Denn Zeit, sich auf das Spielgeschehen auf dem Rasen zu konzentrieren, bleibt kaum. Nadin ist voll und ganz auf die Fans, ihre Fans, konzentriert. Meist steht sie im Stadion mit dem Rücken zum Rasen.
Ihre erste Begegnung mit den RWE-Fans wurde gleich zur Feuertaufe. Es war das Thüringenderby im Juli 2011 in Erfurt. Rot-Weiße hatte Jena mit einem 3:0 an die Saale zurückgeschickt. Schmidt sah sich alles aus der Distanz an. Sie habe nur gedacht: Das wird eine echte Herausforderung!
Später wurde sie von Nico Besecke, der bis Dezember 2011 als Betreuer arbeitete, den Anhängern bei einem gemeinsamen Frühstück in den Räumen des Fanprojektes vorgestellt. Anfeindungen oder Vorbehalte? "Bis heute nicht", sagt die junge Frau. Es sei ein positiver Beginn gewesen, und an dem guten Verhältnis habe sich bis heute nichts geändert.
"Sie haben es mir leicht gemacht einzusteigen und Vertrauen zu schaffen", lobt sie.
"Die meisten sind echte Fans, keine Extremisten."
Dabei gebe es natürlich Meinungsverschiedenheiten, aber eben ohne verbale Aggression. "Das sind keine Extremisten, die ihren Frust auf dem Fußballplatz ausleben wollen, sondern echte Fans, die in echter Treue zu ihrem Verein stehen, aber manchmal über das Ziel hinausschießen", verteidigt sie ihre Schützlinge.
Nadins Hauptansprechpartner sind die Ultras. "Die sind im Projekt inzwischen zu Hause", sagt sie. Das Zuhause ist das Projekt in der Nähe des Talknotens, am Nordende der Johannesstraße. Dort hat man Zeit und Muße und Platz. Ist unter sich. Um zu reden, Probleme zu wälzen, Freud und Leid nach Sieg oder Niederlage zu teilen, zu diskutieren, zu schimpfen, zu jubeln, sein Team zu kritisieren oder es zu loben.
Ein Ort auch für intensive Gespräche. Nicht nur über den Fußball. Nadin hat ein offenes Ohr für alle Probleme, mit denen die Fans zu ihr kommen. Ob sie eine Lösung parat hat oder nicht, ist zweitrangig. "Mir geht es darum, Alternativen aufzuzeigen, denn es gibt immer einen Ausweg", sagt sie.
Geredet wird sowohl im Fanprojekt als auch auf den langen Fahrten zu Auswärtsspielen der Rot-Weißen. Da gelingt es auch schon, den einen oder anderen im Zaum zu halten, damit er in aufgeheizter Situation nicht die Beherrschung verliert. Aber kein Fanprojekt in Deutschland könne eine Garantie geben, dass doch nicht irgendwer austickt, randaliert. Das ist auch nicht seine Aufgabe.
Erhobener bei "Krach im Block" sinnlos
"Wenns im Block kracht, ist es ohnehin sinnlos, mit erhobenem Zeigefinger den Helden zu spielen", sagt die Projektbetreuerin. Daher habe man auch beim Derby-Rückspiel in Jena, kurz vor Weihnachten, keine Möglichkeit gehabt, in die Randale einzugreifen. "Wir müssen aufpassen, nicht zwischen den Fronten zerrieben zu werden", sagt sie. Nach Zwischenfällen wie diesen alles auswerten und Kritik üben, hält sie hingegen für unverzichtbar.
Unverzichtbar ist für Nadin Schmidt auch der Kontakt zur Polizei. Das Vermitteln zwischen Fans und Ordnungshütern funktioniere nur auf einer guten Arbeitsbasis mit beiden Seiten, ist Nadin Schmidt überzeugt.
Inzwischen verbringt sie mehr Zeit im Fanprojekt als daheim, um die Aufbauphase voranzutreiben. Mit Ideen und unkonventionellen Vorschlägen versucht sie, den Fans etwas zu bieten, sie zum Mitmachen zu animieren. Kochen und Backen in der Weihnachtszeit, z.B. Pizza oder Plätzchen mit RWE-Logo.
RWE-Fans erleben Erfurt
Oder gemeinsames Eislaufen, Vorträge zum Stadionumbau, Austausch mit anderen Fanszenen. Ihre neueste Idee: "Das Fanprojekt zeigt Dir Deine Stadt". Es soll, so sagt sie, etwas sein, was mit den Fans gemeinsam organisiert wird - Dombesichtigung, Stadtrundgang, Rathaus-Führung, Besuch in der Topf&Söhne-Gedenkstätte.
Das, so ist sie sicher, kann genauso funktionieren, wie unter-18-jährige Fans bei Auswärtsspielen zu begleiten. Als nikotin- und alkoholfreie Tour mit Bildungs- und Kulturteil. "Ich will das zarte Pflänzchen Fanprojekt mit Veranstaltungen düngen, damit es wächst."
Für Nadin Schmidt ist es dabei besonders wichtig, zu fragen, was die Fans selber wollen. Ihnen nur etwas überzustülpen, das funktioniere nicht. Die Fans hätten selber genug kreatives Potenzial, das es zu nutzen gelte. Sie setzt auf Geben und Nehmen. "Damit Fußball ein Sport bleibt, der einfach Spaß macht."
Michael Keller / 11.02.12 / TA