TLZ: FC Rot-Weiß: Keine Angst vor Braunschweig
Zum Saisonabschluss in der 3. Fußball-Liga will Rot-Weiß Erfurt in Braunschweig die gute Serie von vier Spielen ohne Niederlage halten - trotz einiger Spielerausfälle.
Erfurt. Stefan Emmerling hat gute Laune. Die hatte er mit Ausnahme des Pokal-Aus kürzlich in Pößneck eigentlich immer in den fünf Wochen, in denen er beim FC Rot-Weiß ist. Gestern aber war sie besonders gut. Schließlich hatte der Verein gerade erst mit Carsten Kammlott einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag abgeschlossen.
«Ich bin sehr glücklich», sagt Emmerling, wissend, dass hinter Erfurts größtem Talent nach seiner ersten Saison bei den Männern und seinen bislang zwölf Saisontoren die halbe Bundesliga her war. «Für seine Entwicklung ist das gut», findet Emmerling, der auch von Keeper Dirk Orlishausen Recht bekommt: «Man kann dem Verein nur gratulieren, dass er den Vertrag verlängert hat. Carsten kann bei uns noch viel lernen.»
Kammlott selbst hatte bislang einen Förder- bzw. Nachwuchsvertrag. Dieser Vertrag wurde nun angepasst und finanziell angemessen erhöht.
Morgen steht der 20-Jährige wieder in der Startelf. Dann geht es zu Eintracht Braunschweig. Mit 25 500 Zuschauern ist das Stadion bereits ausverkauft. In Niedersachsen hoffen die Fans noch darauf, mit einem Sieg über Rot-Weiß vielleicht doch noch den Relegationsplatz zur 2. Liga zu erreichen.
Rot-Weiß aber scheint das herzlich wenig zu interessieren. Nach zuletzt drei Siegen und einem Remis in Folge strotzen die Thüringer geradezu vor Selbstvertrauen. «Wir wissen, was uns dort erwartet. Doch der Gegner interessiert uns nicht», meint Emmerling, dessen Mimik in dem Moment andeutet, dass es ihm durchaus ernst mit dem nächsten Dreier ist: «Einen schöneren Saisonabschluss kann man doch gar nicht haben.»
Das sieht Dirk Orlishausen, der morgen nach seinem Muskelfaserriss allerdings nicht spielen kann, nicht anders. Auch ist es ihm egal, ob seine Mannschaft vielleicht Erzrivale Jena mit einem Sieg noch Schützenhilfe für deren vierten Platz geben könnte: «Wir spielen nur für uns selbst. Uns interessiert weder Braunschweig noch Jena. Wir haben in Braunschweig die riesen Chance, mit einem Sieg die Saison mit 55 Punkten zu beenden und sie damit zur besten Saison der letzten Jahre zu küren.»
Personell aber muss Stefan Emmerling einige Ausfälle verkraften. Neben Orlishausen, fehlen auch der gestern an der Leiste operierte Manuel Bölstler, Sebastian Becker (Sprunggelenk), Julian Lüttmann (Bauchmuskelzerrung), Julian Pagenburg (Beckenentzündung). Auch hinter dem Einsatz des zuletzt gegen Burghausen stark spielen Dennis Malura (Adduktorenprobleme) steht noch ein Fragezeichen. Den dünnen Kader will Emmerling mit einigen Spielern aus der zweiten Reihe auffüllen.
Ungeachtet des morgigen Saisonabschlusses gehen die Planungen für die kommende Saison weiter. Rot-Weiß ist an einer Rückkehr von Matthias Holst aus Paderborn interessiert. Auch an Magdeburgs Torjäger Radovan Vujanovic, der unter Emmerlich einst in Emden gespielt hat, ist man dran. Probespieler Marcus Rychlik (Emmerling: «Ein schneller Spieler.») erhält weiter eine Chance. Und Emmerling behält hoffentlich seine gute Laune weiter ...
Thomas Czekalla / 06.05.10 / TLZ
Quelle:
http://www.tlz.de
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TA: Erstmals seit 1998 kein Thüringer bei Fußball-Großereignis
Die Spieler, die bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika den Titel für Deutschland holen sollen, stehen fest. Erstmals seit der WM 1998 gehört kein Thüringer bei einem internationalen Großereignis zum deutschen Aufgebot. Eine Situation, die absehbar war.
Bremen/Erfurt. Er war gerade beim Mittagessen. Am Fernseher in seiner Wohnung im Bremer Stadtteil Schwachhausen erfuhr Clemens Fritz von jenen Auserwählten, auf die Bundestrainer Joachim Löw bei der WM in Südafrika setzt. Sein Name war nicht dabei. Wie zu erwarten.
"Ich bin kein Träumer", sagt der Erfurter, der seit vier Jahren in Diensten des SV Werder steht. Seit gut einem Jahr hatte er keinen Kontakt mehr zu Löw. Das letzte Gespräch fand im März 2009 statt, als sich der Bundestrainer nach dem Gesundheitszustand des verletzten Verteidigers erkundigte. Dessen 22. und letztes Länderspiel lag zu diesem Zeitpunkt auch schon ein halbes Jahr zurück. Im Oktober 2008 wurde er beim 1:0-Erfolg über Wales eingewechselt.
"Wer so lange raus ist, muss sich keine Hoffnungen mehr machen", sagt Fritz. Er klingt weder verbittert noch vorwurfsvoll. Die Schuld für Niederlagen oder Rückschläge hat er noch nie bei anderen gesucht. Es ist auch diese Selbstkritik, die ihn so weit gebracht hat und die vielen Fußballern gänzlich abgeht.
"Ich hatte ein schlechtes Jahr. Da geht es eben schnell", sagt er und verweist auf die "Seuchen-Saison" nach der Europameisterschaft 2008. In Österreich und der Schweiz spielte Fritz sein erstes Turnier mit der Nationalelf und sich selbst in den Fokus europäischer Top-Klubs. Obwohl das Finale gegen Spanien verloren wurde, seien jene Tage die schönsten seiner Laufbahn gewesen. "Das Nationaltrikot zu tragen und die Hymne zu hören das ist für jeden das Größe", sagt er.
Diesem Hochgefühl folgte der schnelle Absturz. Verletzungen und Formschwäche ließen Fritz außer Tritt geraten. Was Monate zuvor mit verbundenen Augen klappte, misslang nun selbst mit größter Anstrengung. Die Qualifikationsspiele für die Weltmeisterschaft verfolgte er am Fernseher und sah, wie ihm andere seinen Platz wegschnappten. "Er war zur falschen Zeit außer Form", sagt Rainer Milkoreit, Präsident des Thüringer Fußballverbandes. Bis zuletzt hatte er auf Fritz Nominierung gehofft. Seit gestern Mittag sind seine Befürchtungen traurige Gewissheit. Erstmals seit zwölf Jahren nimmt kein Thüringer an einem großen Turnier teil. Vertraten seither Thomas Linke (2000, 2002) und Bernd Schneider (2002, 2004, 2006) den Freistaat in der deutschen Mannschaft, war es zuletzt bei der EM 2008 neben Fritz noch der verstorbene Robert Enke.
Auf der Fußball-Landkarte ist das Grüne Herz Deutschlands zum weißen Fleck geworden.
Vielleicht auch, weil Clemens Fritz zu zurückhaltend ist. Er ist kein Typ, der verbal in die Offensive geht und einen Platz fordert. Er will allein sportlich auffallen, selbst wenn ihm diese Einstellung in der öffentlichen Wahrnehmung zum Nachteil gereicht.
"Meine Leistungen waren anscheinend nicht gut genug. Das muss ich akzeptieren und drücke den Jungs eben im Urlaub die Daumen", sagt der 29-Jährige. Mit Freunden geht es für eine Woche nach Ibiza, ehe er mit Freundin Millie den Osten der USA erkundet. Möglichst immer mit einem Fernseher in der Nähe.
Auch Verbands-Chef Milkoreit wird sich so viele WM-Spiele wie möglich anschauen. Dass er keinem Landsmann die Daumen drücken kann, sei "schade für unser Image". Unerwartet kommt das jedoch nicht. Thüringen besitzt neben Mecklenburg-Vorpommern die wenigsten Fußballer, 98.500 sind es aktuell. Sogar das Saarland kann auf ein größeres Reservoir zurückgreifen (115.000). Von Bayern mit seinen 1,4 Millionen aktiven Kickern ganz zu schweigen.
Masse sei zwar nicht gleich Klasse, sagt Milkoreit und lobt die Arbeit der Sportgymnasien in Erfurt und Jena sowie an den 21 Thüringer Stützpunkten. Doch die Chance, auf einen potenziellen Nationalspieler zu stoßen, erhöht sich zwangsläufig mit der Anzahl von Talenten.
1. September 2001: Thomas Linke klärt den ball per Kopf gegen den dreifachen Torschützen Michael Owen. Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und England endet 1:5. Foto: Sascha Fromm
Während Linke und Schneider, aber auch noch Enke und Fritz ihre Grundausbildung im Sportsystem der DDR erfuhren und dort eine optimale Symbiose aus Schule und Training vorfanden, wird nun offensichtlich: Von den Spielern, die nach der Wende mit dem Fußball begannen, ist niemand ganz oben angekommen. Da scheinen einige Talente im Zuge des Umbruchs ins Abseits geraten zu sein.
Milkoreit sieht aber auch ein anderes Problem: "Wenn man keinen Bundesligisten, ja nicht einmal einen Zweitligisten zu bieten hat, ist es schwer, konkurrenzfähig zu bleiben", sagt der Apoldaer. Er sieht den FC Rot-Weiß und den FC Carl Zeiss in der Verantwortung. Je eher beide Vereine die Drittliga-Tristesse hinter sich lassen würden, desto besser.
Für Clemens Fritz war der erste Auftritt im Steigerwaldstadion 1999 ein "unvergessliches Erlebnis". Obwohl er schon ein Jahrzehnt weg ist, fühlt er sich mit seinem Heimatklub verbunden. Genau wie Bernd Schneider, der den Kontakt nach Jena nie abreißen ließ. Mit 81 Länderspielen ist er der Thüringer mit den meisten Einsätzen in der gesamtdeutschen Elf. Und dem erlesenen "Kreis der 100er" wäre er wohl auch beigetreten, hätte ein Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren nicht sein abruptes Karriereende bedeutet.
Den Fans im Freistaat bleibt die Hoffnung auf seine Nachfolger oder sie schwenken zur Schweiz um. Dort spielt mit Albert Bunjaku voraussichtlich ein Stürmer, der bis 2009 zweieinhalb Jahre lang das Trikot des FC Rot-Weiß getragen hat.
Das reicht, um zumindest als halber Thüringer durchzugehen.
Marco Alles / 07.05.10 / TA
Quelle:
http://www.thueringer-allgemeine.de