Montag, 27. September 2010
(Sächsische Zeitung)
Der Absturz eines Aufstiegskandidaten
Ex-DynamoJensTruckenbrod nennt Gründe für die Talfahrt von Carl Zeiss Jena.
Der FC Carl Zeiss Jena im freien Fall: Nach der 1:2-Niederlage im Derby bei Rot-Weiß Erfurt rutschen die Thüringer auf einen Abstiegsplatz. Seit sieben Spielen hat die Mannschaft von Trainer Jürgen Raab nicht gewonnen. Ex- Dynamo Jens Truckenbrod versucht im SZ-Gespräch, die Krise zu erklären.
Herr Truckenbrod, fürchten Sie nach der Derby-Schlappe eine besonders unruhige Woche?
Ich hoffe, dass hier alle kühlen Kopf bewahren und dem Trainer weiter das Vertrauen schenken. Es ist zu erkennen, dass es wieder aufwärts geht. Natürlich zählen im Fußball die Resultate, aber wir kommen nur gemeinsam wieder raus.
In solchen Situationen wird der Trainer infrage gestellt. Warum soll Jürgen Raab bleiben?
Auf den Trainer lasse ich nichts kommen. Jena hat in den letzten Jahren viele Trainer verschlissen. Wir müssen das zusammen packen. Deshalb haben wir erfahrenen Spieler nach der 0:3-Schlappe in Ahlen geschworen, dass es so nicht weitergehen kann. Wie wir uns dort präsentiert haben, das war der absolute Tiefpunkt. Das 0:0 vorige Woche gegen Aalen war dann aus kämpferischer Sicht ein Schritt vorwärts, auch wenn das Publikum das Ergebnis mit Pfiffen quittiert hat. Und in Erfurt lief es auch spielerisch gut. Wir waren über weite Strecken sogar dominant.
Wie erklären Sie den Absturz auf einen Abstiegsplatz?
Das 0:7 zu Hause gegen Saarbrücken wirkt immer noch nach. Bis dahin hatten wir nicht schlecht gespielt, zweimal gewonnen. Aber danach ging gar nichts mehr. Wie dieser Einbruch passieren konnte, ist mir bis heute unerklärlich.
Seitdem hat Jena viermal verloren, nur zwei Punkte geholt. Müsste eine so erfahrene Mannschaft ein solches Negativerlebnis nicht schneller wegstecken?
Trotz der Erfahrung ist plötzlich eine Verunsicherung da, die Automatismen greifen einfach nicht mehr. In einigen Spielen haben wir erst wieder befreit aufgespielt, als die Krähe schon tot war. Das haben wir intern analysiert. In Erfurt spielten wir endlich wieder Fußball, machten aber einerseits individuelle Fehler, die gnadenlos bestraft werden. Und andererseits fehlt, wenn man hinten steht, das Quäntchen Glück, und der Ball springt vom Innenpfosten raus, statt ins Tor.
Vorige Saison spielte Jena lange um den Aufstieg mit, es hat aber knapp nicht gereicht. Ist das jetzt eine Kopfsache?
Nein, das glaube ich nicht. Aufgrund der angespannten Lage wurde der Etat für die Mannschaft um eine Million Euro gekürzt, und wir mussten viele Leistungsträger abgeben. Der Aderlass in der ersten Elf war schon beträchtlich. Deshalb wussten wir vom ersten Tag an, dass es diesmal keine einfache Saison wird.
Wirft das 1:2 in Erfurt die Mannschaft wieder zurück?
Natürlich waren wir riesig enttäuscht, weil wir die bessere Mannschaft waren. Wir nehmen aber mit, dass wir mit diesem Kampfgeist und dieser Leidenschaft auftreten müssen, was wir in den letzten Wochen so nicht immer gezeigt hatten. Es war ein Anfang.
Der nächste Gegner Hansa Rostock wird nicht leichter …
Die Liga ist so verrückt, warum sollten wir, die schon als Absteiger gehandelt werden, nicht gegen ein Spitzenteam wie Rostock den Bock umstoßen?
Ist Jena ein Abstiegskandidat?
Nein.
Warum nicht?
Weil wir genug Erfahrung und Qualität haben, das zu verhindern.
Gespräch: Sven Geisler
sz-online