TA: Ronny Hebestreit: Treue und Tore
Eine Ära geht zu Ende. Im heutigen Saisonfinale gegen Kiel absolviert Ronny Hebestreit sein 329. und letztes Pflichtspiel für den FC Rot-Weiß. Und obwohl der 32-Jährige den Gedanken an den Abschied bis zuletzt stets verdrängt hat, ist er sich sicher: "Es werden Tränen fließen."
ERFURT. Nicht nur bei ihm. Die Bekundungen der Fans in den vergangenen Wochen bewiesen, welchen fußballerischen Stellenwert der Stürmer in Erfurt genießt. Es ist weder technische Brillanz noch spielerische Eleganz, die Hebestreit in 20 Jahren FC Rot-Weiß ausgezeichnet haben. Es ist vor allem die Verbundenheit und Treue zum Verein, die ihn sogar zum "Fußballgott" aufsteigen ließ. Selbst bei seinen Abstechern zu Erfurt-Nord (1993/94) und zum FC Bayern (1998/99) blieb er im Herzen stets ein Rot-Weißer. "Und das wird immer so bleiben", sagt Hebestreit. Trotz aller Enttäuschung über die Aussortierung geht er nicht im Groll. Zumal eine Rückkehr-Möglichkeit schriftlich fixiert ist." Mir liegt ein Angebot vor, ab 1. Januar 2009 im Marketingbereich des Klubs zu arbeiten", verrät er. Ein faires Angebot für einen Spieler, der die Vereinsentwicklung nach der Wende mitgeprägt hat wie kaum ein anderer. Mit 329 Pflichtspiel-Einsätzen erobert er heute Platz drei in der internen Rangliste hinter Jürgen Heun (475) und Armin Romstedt (362). Mit Heun stand Hebestreit sogar noch gemeinsam auf dem Platz. "Ein geiles Gefühl" hätte ihn damals beschlichen, als er im April 1993 mit dem Ex-Nationalspieler das Angriffsduo bildete. "Das war gegen Sachsen Leipzig. Ich wurde 14 Minuten vor Schluss für Daniel Bärwolf eingewechselt - und das Beste daran: Wir gewannen 2:1", erinnert er sich an sein Debüt.Dass sich der Publikumsliebling mit einem Sieg auch verabschieden will, versteht sich von selbst. Doch vorbei ist seine Karriere damit noch nicht. "Ich fühle mich noch zu jung und zu fit, um die Schuhe an den Nagel zu hängen", sagt er und verweist auf derzeit laufende Gespräche mit interessierten Vereinen. Die erhoffen sich von ihm vor allem Tore. Eine Stärke, die ihn auch bei Rot-Weiß ausgezeichnet und lange unverzichtbar gemacht hat. 113 Treffer stehen bei dem 1,87-m-Mann zu Buche, lediglich Heun (155) traf im Erfurter Trikot häufiger. In dieser Saison ist ihm sein Torinstinkt allerdings abhanden gekommen. Erst am 33. Spieltag, beim 5:3 in Wilhelmshaven, konnte er erstmals jubeln. Zu spät, um an der längst feststehenden Trennung noch etwas ändern zu können. Was bleibt, sind Erinnerungen. An die schönen Momente und die schlimmen Stunden. An süße Siege und bittere Niederlagen. Von allem hat Hebestreit genügend erlebt. Die Relegation für die zweigleisige Regionalliga gegen den FC Schönberg im Juni 2000 war sicher ein Höhepunkt. Zum entscheidenden 4:1-Erfolg steuerte er zwei Treffer bei. Und sein Hackentor gegen Saarbrücken am 29. Mai 2004 bleibt ohnehin unvergessen. Es bedeutete den 2:1-Sieg und damit den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Doch für den Kopfball-Spezialisten - etwa zwei Drittel seiner Treffer erzielte er mit dem Kopf - schien nicht nur die Sonne. Es gab auch Schatten. Der sportliche Abstieg 2001 gehörte dazu; die eigenen Verletzungen (zwei Kreuzbandrisse, Mittelfußbruch, Nasenbeinbruch) genauso. "Die härteste Zeit war jedoch die Insolvenz", verweist "Hebe" auf je- ne "grauenhaften" Chaostage im Sommer 1997. "Zum Glück kam damals Klaus Neumann und hat den Verein gerettet." Zum heutigen Ehrenpräsidenten hat "Hebe" seitdem eine besondere Beziehung. Auch zu Jürgen Raab, der damals unter widrigen Umständen eine erfolgreiche Mannschaft formte. "Er war sicherlich der beste Trainer, den ich jemals hatte", lobt der Erfurter den Jenaer, der mittlerweile Assistent von Hans Meyer beim DFB-Pokalsieger Nürnberg ist. Und die besten Mitspieler? "René Müller, Branko Okic und René Twardzik - drei Riesen-Fußballer und tolle Typen." Mit den aktuellen Teamkollegen samt Frauen wird er heute Abend die Saison ausklingen lassen. Für Ronny Hebestreit wird es aber mehr sein, als das Plündern der Mannschaftskasse. Spätestens dann wird ihm bewusst werden, dass Schluss ist bei Rot-Weiß. Schluss bei seinem Verein.
01.06.2007 Von Marco ALLES
Quelle:
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TA Erfurt: Das ungleiche Duell
Regionalligist empfängt Regionalligist. Dennoch trennen den 1. FFV und den FC Rot-Weiß Welten. Nicht nur sportlich. Davon lassen sich die kickenden Frauen vom Johannesplatz allerdings keineswegs abschrecken und wagen am Sonntag das ungleiche Duell.
ERFURT. Dass der Vergleich zwischen Frauen und Männern auf dem Rasen hinkt, darüber muss FFV-Trainer Wolfgang Nagorsky nicht lange philosophieren. Schon gar nicht, wenn es sich um die Hausherren des Steigerwaldstadions handelt. "Ich hoffe, dass sie uns nur laufen lassen", wirbt der 59-Jährige fast schon ein wenig um Mitleid, falls das Ergebnis morgen (11 Uhr) zu eindeutig ausfallen sollte. Kneifen kommt für ihn jedoch ebenso wenig in Frage wie für seine FFV-Mädels. Das zweitjüngste Team im Zwölferfeld der NOFV-Regionalliga hat als Aufsteiger mit Platz fünf für eine Überraschung gesorgt. Außerdem freuen sich alle riesig auf die Partie, die zugleich den Abschluss der rot-weißen Testspiel-Tournee im unterklassigen Umfeld darstellt. Wie Marbach, Bischleben/Möbisburg, Empor und der SV Inter hat sich auch der 1. FFV bei den Stadtwerken beworben. "Für uns ist es das Größte, mal gegen Rot-Weiß zu spielen", hat selbst Coach Nagorsky die Aufregung gepackt.Illusionen auf ein ähnliches Abschneiden wie Empor, das dem Regionalligisten ein 1:1 abgerungen hat, will sich der FFV-Trainer nicht hingeben: "Die Mädels sollen Spaß haben und zeigen, dass auch sie Fußball spielen können". Wenn dabei mehr als die sonst üblichen rund 30 Zuschauer den Weg auf den Johannesplatz finden, um so besser. Dann bleiben auch ein paar Euro in der Kasse. Gelder, die der Verein dringend braucht.Die Frage nach einem Saisonetat erübrigt sich. Im Gegensatz zum Gast, der kommende Saison mit einem Etat von 3,2 Millionen Euro plant, ist die FFV-Schatulle praktisch leer. "Klar, es gibt einen Sponsor, der ein paar Hundert Euro im Jahr gibt", erklärt Nagorsky. Doch die reichen bei weitem nicht. Allein eine Tour etwa nach Rostock verschlingt schon mal so eben eine solche Summe. Deshalb löst schon die erste Runde im DFB-Pokal, in die es die Erfurterinnen um Galionsfigur Sylvia Michel auch dieses Jahr schaffen möchten, Unbehagen aus. Kommt ein Bundesligist wie zuletzt der SC Sand (Siebter der zweiten Liga Süd), muss der unterklassige Gastgeber die Hälfte von dessen Reisekosten und Unterkunft tragen. Zum Glück sind die Erfurterinnen um Co-Trainerin Kerstin Wettmann auf einen Hinweis gestoßen, beim DFB Unterstützung beantragen zu können. "Das muss man erst mal wissen", meint die langjährige Libera, die als Schiedsrichter obendrein bei den Herren zur Pfeife greift. Genutzt hat dieser Antrag ihrem Verein bisher dennoch wenig. Denn trotz des bitteren Erstrunden-Aus´ im September durch einen Elfmeterkrimi werden die Mittel des Verbandes erst zum Saisonende freigegeben.Was im FFV-Lager bleibt, ist gute Miene zum bösen Spiel und der Enthusiasmus der Spielerinnen und deren Familien. Den kann Trainer Wolfgang Nagorsky teilweise nicht genug schätzen. Und ebenso wenig die Belastung, die sich die Mädchen aufhalsen. Zeitsoldatin Stephanie Börold etwa kommt Woche für Woche von Limburg zu den Spielen. Selbst der Weg von Bremen ist der 20-Jährigen vorher nicht zu weit gewesen. Vergleichsweise kurz dagegen ist die Anreise von Polizistin Conny Graf aus Meiningen. Die 21-jährige Stürmerin hängt zur Freude des Trainers noch eine Serie dran. So viel Auswahl, wie er sich wünschte, hat er nicht. Gut 20 Spielerinnen stehen zwar auf dem Papier. Alle sind sie in der Landesauswahl - oder gewesen. Kommt aber so eine Pechsträhne wie nun zum Saisonende mit fünf verletzten Stammkräften, wird es schwer, das Niveau zu halten."Aber wir haben schon etwas erreicht", steht für Nagorsky fest und belegt es mit der Entwicklung vom "Fast-Absteiger" in der Landesliga bis zum Regionalliga-Fünften. Zudem hätte sich der FFV mit allen besetzten Altersklassen von den E- bis zu den B-Juniorinnen zum größten Thüringer Verein in Sachen Frauenfußball gemausert. Größer selbst als der USV Jena, der in der zweiten Liga kickt. Auch deshalb stößt den Erfurtern etwas auf, dass bloß an der Saale die Möglichkeit besteht, dass Fußballerinnen das Sportgymnasium besuchen. In Erfurt hätten sie es um die Ecke. Nicht alle können einen Weg wie Jennifer Marquardt (17) einschlagen, die als Leichtathletin dort zur Schule geht, aber gern Fußball spielt. Letzteres teilen wohl alle beim FFV, der am Wochenende allerlei auf die Beine stellen will. Den Auftakt bilden heute Turniere der C- und D-Juniorinnen (ab 9 Uhr). Morgen früh (10 Uhr) bestreiten die Jüngsten ein Duell gegen die Borntaler Kickerinnen, ehe mit den Hebestreit und Co. der Höhepunkt auf die FFV-Mädchen wartet. Für Nagorsky ist er obendrein Motivation für die letzte Aufgabe - das Landespokalfinale am 10. Juni gegen den FC Gera. In Saalfeld trifft dann erneut ein Regionalligist auf einen Regionalligisten. Jedoch mit einem gewaltigen Unterschied zu diesem Sonntag: Sie liegen auf Augenhöhe.Steffen ESS
01.06.2007
Quelle:
http://www.thueringer-allgemeine.de